Volles (Bürger)Haus bei Mentalvortrag: Über Denken, Versagen und Siegen im Boule-Sport

Spätestens als die Bestuhlung im Bürgerhaus Bieber zweimal  wegen neuer Zuhörer erweitert werden musste war klar: Der Verein Boulebietertal hatte mit seiner Einladung zum Vortrag über sportpsycho-logische Zusammenhänge beim Boulespiel einen Nerv getroffen. Und mit dem Spitzenwissenschaftler Dr. Gregor Kuhn einen außergewöhnlich kompetenten Referenten gefunden, um dieses komplexe Thema fachkundig und interessant zu präsentieren. Der sportpsychologische Betreuer von ehemaligen Olympia-Mannschaften im Judo, Ringen und Bogenschießen sowie der Giessener 1846ers umkreiste das Thema, inwieweit Denkprozesse sportliches Handeln negativ oder positiv beeinflussen. Zuerst widmete er sich der Frage warum vielfach gute Trainingsleistungen im Wettkampf nicht abgerufen werden können und bot Auswege an.

Der Referent auf dem Stuhl

Auf einem Stuhl stehend machte er klar wie sich die Denkprozesse verändern, wenn dieser Stuhl mit Person auf 10 m Höhe angehoben würde, quasi aus der Trainings- in die angespannte Wettkampfsituation. Die Aufmerksamkeit würde sich abrupt in die Zukunft verlagern: „Was passiert, wenn ich hier runterfalle“. Für gute Leistungen im Boulesport sei aber das Aufgehen im “Hier und Jetzt” nötig. Dazu müssen Gedanken auf die Gegenwart und zur Lösung der nächsten direkt anstehenden Aufgabe konzentriert werden. Zukunft und Vergangenheit sollten ausgeblendet sein. In einem Zahlenmerkspiel mit den Zuhörern machte er die begrenzte Aufnahmekapazität des menschlichen Arbeitsgedächtnisses im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis deutlich. Dies ist spätestens seit den Doppelaufgaben-Experimenten (Multitasking) im Sport bekannt: Das menschliche (nicht männliche) Gehirn kann geteilte Aufmerksamkeit für zwei bewusste Tätigkeiten zur selben Zeit nicht erbringen.Es ist wichtig für den Sportler den begrenzt aufnahmefähigen Kanal des Arbeitsgedächtnisses für seine nächste Aufgabe freizuhalten. Dr. Kuhn ging auch auf die negativen Selbstgespräche der Sportler (z.B „Gegen die haben wir eh keine Chance“ im Wettkampf ein, die sich zu einem Kreislauf der Verunsicherung, Vermeidungsstrategien und körperlicher Erregung steigern können.

Positive Denkmuster entwickeln

Seine Gegenstrategien für mehr Aufmerksamkeit  und Konzentration im Sport lagen im Bereich des positiven Denkens und Redens mit sich selbst. Er ging auf die Rolle der Vorwegnahme idealer Bewegungsabläufe im Kopf ein, die schon während der Vorstellung zu muskulären Reaktionen und Bewegungsimpulsen führen. Auch empfahl er eine tiefe Bauchatmung zu trainieren sowie autogenes Training und Muskelentspannung. Im Anschluß an den Vortrag folgte eine über einstündige Diskussion, in der Dr. Kuhn boulespezifische Fragen aus dem Publikum aufnahm und verarbeitete. Nach zweieinhalb Stunde wurde die Veranstaltung unter großem Beifall der Zuhörer –zu denen auch der Landestrainer des Petanque-Verbandes gehörte- geschlossen und eine Fortsetzung im nächsten Jahr angekündigt.